Jürgen Klodt von der Handwerkskammer Münster 
öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger 
für das Tischlerhandwerk
Praxisbeispiele

Fallbeispiel gewerbliche Verkaufstheke:

Der Auftragnehmer soll für ein Verkaufsgeschäft eine Ladentheke bauen. Die Theke ist zweimal gewinkelt und besteht aus einer Modul-Bauweise. Auf der Frontseite befinden sich Holzblenden, an der Bedienerseite befinden sich offene Regale und Schubkästen.

Foto 1              Außenansicht, mittig montierter Thekenbereich

 

 Foto 2              Außenansicht, linker Thekenbereich mit Regalteil

 

 Foto 3: Außenansicht, rechter Thekenbereich mit Regalteil

 

 Foto 4:   Innenansicht, mittig montierter Thekenbereich

 

Der Mittelteil der Theke besteht aus 7 einzelnen Korpussen. Vier von ihnen besitzen vier Schubkästen übereinander, die anderen drei Korpusse besitzen drei Schubkästen übereinander. Am linken Schrankkorpus fehlen drei Schubkastenblenden.

Foto 5:

 

 Foto 5: Abplatzung der Oberflächenbeschichtung

 

An einem Thekenmodul ist in der oberen Verkaufsplatte eine Glasscheibe eingelassen. Bis auf einige Kantenprofile ist die Theke aus einer strukturierten, kunststoffbeschichteten Dekor-Spanplatte hergestellt worden.

 Fragestellung:

Ist die geplante und konstruierte Verkaufstheke aufgrund ihrer gewerblichen Anforderungen geeignet?

Entspricht die Ausführung dem heutigen Stand der Technik?

 Der Auftraggeber hat in Eigenregie den Auftrag einer Verkaufstheke an den Auftragnehmer vergeben. Ein Architekt der Detailplanungen erstellt ist nicht beauftragt worden. Die Planung der Theke erfolgt in diesem Fall durch den Auftragnehmer, auch wenn diesem dies zum Teil gar nicht bewußt ist. Er ist der Fachmann, der unter Einbeziehung geltender Gesetze, Verordnungen, Richtlinien und Normen die Arbeit "dem Stand der Technik entsprechend" ausführen muß. Der Auftragnehmer hat dem Auftraggeber gegenüber eine Hinweispflicht. Er muß den Auftraggeber umfassend und verständlich darüber aufklären, wie seine Arbeiten später aussehen und welche Vor- und Nachteile die von ihm ausgewählten Materialien gegenüber anderen Materialien besitzen. Detailabsprachen und Hinweise über das verwendete Material (z.B. dünne Furnierkanten-Massivkanten, Oberflächengestaltung/ Lack, Schubkastenausführungen/ Voll- Teilauszüge ) müssen umfassend erfolgen.

Begutachtung / Feststellung:

Die allgemeine Verarbeitung der Theke ist als unsauberer zu bezeichnen. Muschelartige Abplatzungen der dünnen Kunststoffbeschichtung waren im Kantenbereich sichtbar.

Foto 6:    muschelartige Abplatzungen der oberen Thekenbeschichtung

 

 

Die Konstruktion von Schubkästen mit außenliegenden Führungsschienen war fehlerhafte konstruierte. Das Schrankkorpusinnenmaß war nicht mit den Abmessungen der Schubkästen abgestimmt worden.

Foto 7:               

 

Fehlerhafte Montage des Schubkastens. Das Fehlen der kleinen zusätzlichen Abwinkelung im oberen Bereich des Z-Profils ermöglicht einen geringfügigen Toleranzbereich in der Korpusbreite. Es darf jedoch nicht wie beim vorherigen Foto dargestellt passieren, dass das Z-Profil von der Führungsrolle läuft.

Foto 6:             

 Im Bereich der Arbeitsplatte ist oberhalb der Auslagen-Schublade eine Glasscheibe in die Verkaufsfläche eingelassen worden

 An einigen Schubkastenblenden löst sich z.T. die Kantenbeschichtung.

Foto: Hier wurde eine Schmelzkantenbeschichtung, die fehlerhaft verarbeitet wurde, eingesetzt.

Die nebeneinander angeordneten Schubkastenblenden sind nicht in einer Flucht montiert. Unterschiedliche Fugenabstände konnten am Tage des Ortstermins beobachtet werden.

Die gestrichelten Linien sollen die exakte Kantenflucht darstellen.

Die Konstruktion und Ausführung des Sockelbereichs der Theke war fehlerhaft. Hier wurden notdürftig und völlig unprofessionell Deckleisten aufgeschraubt, die eine fehlerhafte Konstruktion des Sockelbereich kaschieren sollte.

Die spitz zulaufenden Enden der Verkaufstheke sind fehlerhaft geplant. Die Sockelleisten sind zu kurz und an den Enden durch ein Passstück angestückelt.

Kurzfassung des Ergebnisses:

Aufgrund der gewerblichen Anforderungen ( z.B. erhöhte Belastungen der Beschläge, der Oberflächenbeschichtung ) ist die Planung und Konstruktion der Theke als nicht ausreichend zu bezeichnen und fehlerhaft. Die eingesetzten Materialien (z.B. industriell fertig vorbeschichteten Spanplatten mit 0,3 mm Beschichtungsmaterial ) reichen für den gewerblichen Einsatz in diesem Fall nicht aus. Das eingesetzte Material kann den hohen Abriebanforderungen auf Dauer nicht standhalten. Im Bereich der Schnittkanten neigt das Material zu muschelartigen Abplatzungen, wenn - wie hier, nicht mit entsprechend geschliffenen Hartmetallsägeblättern gearbeitet wurde.

 Die Verarbeitung entspricht nicht dem heutigen Stand der Technik. Die unsauberer Kantenverarbeitung (muschelartige Abplatzungen und breite Kleberfugen) und das eingesetzte Material entsprechen nicht dem Stand der Technik im Ladenbau. Aufgrund der hohen Beanspruchung gegenüber dem Privatbereich, sollten Schubkastenblenden nachjustierbar sein, damit geringfügige Veränderungen der Schubkästen z.B. durch unterschiedlich starke Beladung, nachträglich ausgeglichen und nachjustiert werden können, was hier keine Anwendung fand. Auch hier muss der Auftragnehmer seiner Beratungs- und Hinweispflicht nachkommen, um dem Auftraggeber (Laien) ausführlich die Vor- und Nachteile von z.B. unterschiedlichen Schubkastenausführungen (z.B. Rollenauszug, Kugelauszug, Voll- oder Teilauszug) darzulegen. Hierbei ist vor allem zu berücksichtigen, wie und mit welchen Gewichten die einzelnen Schubladen bestückt werden. Das das innere Korpusmaß der Ladentheke mit den Abmessungen der Schubkästen abgestimmt sein muss, versteht sich von selbst und stellt im vorliegenden Fall einen groben Planungsfehler dar.

 Anmerkung:

Auch der Auftraggeber hat eine Mitverantwortlichkeit bezüglich der zu erwartenden Anforderungen seines bestellten Bauteils. Er muss dem Auftragnehmer deutlich machen, wie er sich eine Benutzung des Bauteils unter Angabe der Anforderungen vorstellt. Dem Auftragnehmer obliegt jedoch die Verantwortung, bei Unklarheiten dementsprechend nachzufragen und Detaillösungen ausführlich mit dem Auftraggeber zu besprechen.